Gesundheit
Suizid-Mittel: Behörde darf keine Genehmigung erteilen
GDN -
Das Bundesgesundheitsministerium hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgefordert, den Erwerb von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung auch in Extremfällen nicht zu erlauben. Das berichten die "Neue Osnabrücker Zeitung" (Samstagsausgabe) und die "Süddeutsche Zeitung" (Wochenendausgabe) unter Berufung auf ein Schreiben des Staatssekretärs des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), Lutz Stroppe, an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Nach Aussage eines Ministeriumssprechers handelt es sich hierbei um eine "schriftliche Aufforderung mit rechtsverbindlichem Charakter", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". In dem Brief bittet Staatssekretär Stroppe das BfArM, Anträge von Patienten auf eine letale Dosis eines Betäubungsmittels abzulehnen. Damit versucht der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für mehr Klarheit in der Debatte um "Sterbehilfe" in Deutschland zu sorgen. Das BfArM ist dem Gesundheitsministerium unterstellt. Hintergrund des Schreibens ist ein wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Frühjahr 2017. Damals entschieden die Richter, dass schwerkranken Patienten der Zugang zu einem Betäubungsmittel zur Selbsttötung "in extremen Ausnahmesituationen" nicht verwehrt werden dürfe. Geklagt hatte ein Mann, dessen Ehefrau nach einem Unfall querschnittsgelähmt war und künstlich beatmet werden musste. Die Frau empfand ihre Lebenssituation als unerträglich und wünschte zu sterben. Sie beantragte beim BfArM ein Betäubungsmittel in tödlicher Dosis - das Institut aber lehnte ab. Die Frau nahm sich 2005 in der Schweiz mit Unterstützung eines Sterbehilfevereins das Leben. Das Gericht gab dem Kläger Jahre später recht. Es befand, das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse auch "das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll". Bislang haben etwa 100 Menschen beim BfArM um die Erlaubnis gebeten, ein Medikament in tödlicher Dosierung verwenden zu dürfen. Als Reaktion auf das Urteil ließ das BfArM vom ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio ein Rechtsgutachten anfertigen. Di Fabio kam darin zu dem Schluss, dass das Urteil verfassungsrechtlich nicht haltbar sei. Der Gesetzgeber sei berechtigt die Mittel zu verweigern, wenn er "Gefahren einer künftig entstehenden Routine zur Verabreichung tödlich wirkender Substanzen (...) entgegenwirken will." In dem aktuellen Brief an das BfArM beruft sich Staatssekretär Stroppe auf diese Einschätzung, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Es könne nicht die Aufgabe des Staates sein, Selbsttötungen durch die Erlaubnis zum Erwerb jener Medikamente aktiv zu unterstützen, heißt es darin. Doch trotz des Versuchs, mit diesem Brief für Klarheit zu sorgen, stecken die Mitarbeiter des BfArM in einer Zwickmühle. Halten sie sich an die Anordnung, ignorieren sie ein rechtskräftiges Urteil, welches wohl schwerer wiegt als die Einschätzung eines pensionierten Richters. Würden sie den Anträgen der Patienten stattgeben, könnten sie gegen Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs verstoßen, der die Förderung der Selbsttötung eines anderen Menschen untersagt. Experten fordern seit Langem von der Bundesregierung, bestehende Sterbehilfeparagrafen im Strafgesetzbuch und Regelungen im Betäubungsmittelgesetz zu überarbeiten und damit endlich Klarheit für Patienten zu schaffen.
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.