Gesundheit
Gesundheitsminister will Heilpraktiker bremsen
GDN -
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will gegen gefährliche Therapien vorgehen, wie sie unter anderem von manchen Heilpraktikern oder in ominösen Kliniken angeboten werden. Wie NDR und "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Regierungskreise schreiben, sind gesetzliche Regelungen auf dem Weg, die in Kürze als Referentenentwurf vorliegen sollen.
"Patienten müssen sicher sein können, dass ihnen Arzneimittel nicht schaden", sagte Spahn der SZ. "Deshalb werden wir Herstellung, Verkauf und Anwendung von Frischzellen verbieten. Und deshalb sollen verschreibungspflichtige Arzneimittel künftig nur noch im Ausnahmefall von Heilpraktikern hergestellt werden dürfen." Geplant ist, das Arzneimittelgesetz entsprechend zu ändern. Bislang war es Angehörigen nichtärztlicher Heilberufe, wie zum Beispiel Heilpraktikern, möglich, verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst herzustellen, um ihre eigenen Patienten damit zu behandeln. Immer wieder sind aber Menschen durch Therapien mit fragwürdigen selbstgemixten oder selbstsynthetisierten Arzneien in Gefahr geraten. In die Schlagzeilen geriet 2016 ein Heilpraktiker aus Brüggen-Bracht am Niederrhein, der ein Mittel namens 3-Bromopyruvat (3-BP) herstellte und schwerkranke Krebspatienten damit behandelte. Das Mittel war zuvor kaum erprobt worden. Unter der Therapie des Heilpraktikers kam es zu mehreren Todesfällen. Er hatte auch viele sterbenskranke Patienten aus den Niederlanden in der Hoffnung auf Rettung angezogen, wo eine derartige Behandlung schon lange verboten ist. Dem Referentenentwurf zufolge soll zudem die Behandlung mit sogenannten Frischzellen aus Schafen und anderen Tieren verboten werden. Das versucht die Bundesregierung seit Jahrzehnten vergeblich umzusetzen, gescheitert war dies immer wieder an der Intervention der Länder. Denn in manchen Regionen ziehen Privatkliniken mit dem Versprechen, dass Frischzellen nicht nur verjüngten, sondern auch gegen die verschiedensten Krankheiten hälfen, Patienten aus aller Welt an - zur Freude der lokalen Wirtschaft und deshalb auch oft unter dem Schutz regionaler Politiker. Frischzellen sind aber nach Ansicht der Schulmedizin nutzlos und außerdem noch gefährlich. So kam es 2014 in Rheinland-Pfalz zur Ansteckung mehrerer Patienten und Klinikmitarbeiter mit der hochansteckenden Schafkrankheit Q-Fieber, die zu Lungenentzündung, Herzmuskelentzündung und auch zum Tod führen kann. Die US-Seuchenschutzbehörde warnte vor der seltsamen Therapie in Deutschland. Frischzellen sind bedenklich - zu diesem Schluss kamen zuletzt auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und das Paul-Ehrlich-Institut in unabhängigen Gutachten. Sie hätten bei keinem der von Ärzten und Kliniken proklamierten Anwendungsgebiete eine Wirksamkeit erkannt, weder als "Anti-Aging-Kuren" noch zur "Stärkung der Immunabwehr" oder gegen schwere Krankheiten wie Parkinson oder Multiple Sklerose. Stattdessen bestünden erhebliche Risiken, nicht nur für Infektionen, sondern auch für gefährliche Immunreaktionen. Trotzdem stellen bis heute Hunderte Ärzte und Heilpraktiker in Deutschland Frischzellen oder sogenannte Organextrakte aus Tieren her, um sie Menschen zu spritzen. NDR und SZ berichteten 2015, dass es derzeit sogar einen neuen Boom der Therapie gibt, die in fast allen Ländern weltweit seit Jahren verboten ist. Mehrere Versuche, die Behandlung mit Frischzellen zu untersagen, waren am Widerstand einzelner Bundesländer gescheitert. Der Bundesrat forderte bereits 2012 die damalige Regierung auf, tätig zu werden und die Herstellung und Verwendung von Frischzellen unter Strafe zu stellen - "zur Vermeidung unkalkulierbarer Risiken für den Patienten". Aktuell, so schreiben SZ und NDR, haben sich nun aber alle Bundesländer einhellig für das Verbot von Frischzellen und Organextrakten tierischen Ursprungs ausgesprochen. Experten begrüßen Spahns Vorstoß und nennen ihn "überfällig". "Patienten müssen endlich besser vor der Hybris mancher Behandler geschützt werden", sagt der Arzt und Pharmazeut Wolfgang Becker-Brüser vom pharmakritischen Arznei-Telegramm. Und Gerd Glaeske, Professor für Arzneimittelsicherheit an der Universität Bremen, sagt: "Das ist im Sinne des Patientenschutzes durch und durch begrüßenswert." Immer wieder beriefen sich Heilberufler auf das hohe Gut der Therapiefreiheit, so Glaeske: "Aber wenn Therapiefreiheit mit Beliebigkeit und dubiosen Verfahren verwechselt wird, dann haben sie dieses Recht verwirkt."
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